Offener Brief gegen das Sanktionshungern:
PRESSEERKLÄRUNG
vom 28. November 2012
Ralph Boes: Warum sprichst Du gleichzeitig für und gegen das Sanktionssystem und bejubelst worüber andere verzweifeln ?
Brief mit der Bitte um Antwort von Hartz4-Plattform-Sprecherin Brigitte Vallenthin ________________________________________________________________________
Lieber Ralph,
Dein öffentlicher Jubel, „endlich nach 2 Jahren Sanktionen bekommen“ zu
haben, ist mittlerweile nicht mehr zu ertragen - ganz besonders
angesichts der Sorgen, Verzweiflung und Nöte von Familienvätern,
Alleinerziehenden Müttern und vielen, vielen anderen durch eben solche
Sanktionen, die unsere Bürgerinitiative Hartz4-Plattform täglich erreichen.
Hast Du - in offenbar privilegierter Position als bundesweiter
Vortragsreisender - überhaupt eine Ahnung davon, wie sehr schon alleine
die Möglichkeit und drohende Gefahr von Sanktionen Menschen in Angst und
Hoffnungslosigkeit treibt, weil sie ihre Existenz sowie Familien
zerstört und Freunde sich von ihnen abwenden?
Offenbar kannst Du es Dir erlauben, jede Arbeit abzulehnen, Leistungskürzung zu kassieren und dennoch uneingeschränkt beispielsweise zu Vortragsorten in der ganzen
Offenbar kannst Du es Dir erlauben, jede Arbeit abzulehnen, Leistungskürzung zu kassieren und dennoch uneingeschränkt beispielsweise zu Vortragsorten in der ganzen
Republik zu reisen, ohne durch die Reisekosten eingeschränkt zu sein -
während andere noch nicht einmal mehr davon träumen können, sich weiter
als die Füße tragen von ihrer Wohnung entfernen zu können, weil sie kein
Geld für Benzin haben oder kein Auto mehr besitzen, schon gar nicht das
Fahrgeld für Bus oder Bahn zusammen bekommen.
Hast Du Dich nicht weit entfernt vom Boden der Tatsachen, wenn Du
Menschen aktuell das bedingungslose Grundeinkommensleben vorspielst,
während die meisten jetzt einfach nur überleben müssen und in aller
Bescheidenheit ganz dringend nur einen menschenwürdigen Arbeitsplatz
wollen, um von dem Einkommen ihre Familien ernähren zu können.
Du tust so, als wärest Du einer von ihnen und bist doch Lichtjahre von deren
Du tust so, als wärest Du einer von ihnen und bist doch Lichtjahre von deren
Lebenswirklichkeit entfernt.
Und zu Deiner Hungerstreik-Aktion, die ich ausdrücklich nicht
unterstütze, nicht zuletzt weil kriegerische Auseinandersetzungen - und
dazu zählt der Einsatz eines jeden einzelnen Menschenlebens - am Ende
niemals zu friedvolleren gesellschaftlichen Veränderungen oder zu
besseren politischen Verhältnissen geführt haben und sicher auch nicht
bezüglich des Menschenwürde verletzenden Unfriedens namens Hartz IV mit
Sanktionen führen werden.
Verhehlen will ich auch nicht, dass ich wenig glaubwürdige
Übereinstimmung in der Sache bei Deinen Aktivitäten erkennen kann.
Deshalb denke ich mal laut - in kurzen, möglicherweise unvollständigen
Stichworten - was viele denken, nur nicht aussprechen.
Wie kannst Du der finanziellen Existenzbedrohung des Sanktionssystems
den Kampf ansagen und gleichzeitig die Armutsindustrie hochloben, die
doch Bestandteil dieses Sanktionssystems ist,
- indem Du dem Zwang zu unzumutbarer Arbeit in die Hände spielst, wenn
Du an Deinem 16ten Hungertag - nach dem Besuch in einem Sozialkaufhaus
in Bremervörde - die Mär von den „begeisterten“ 1€-Jobbern unterstützt,
- oder in einer Veranstaltung Eurer Bürgerinitiative Grundeinkommen am
24. Mai die geschäftstüchtige Gründerin der Berliner Tafel, Sabine
Werth, feierst, die offensichtlich gleichzeitig in den Gewässern der
Tafelgegner wie auch in denen der Tafelbefürworter nach Anerkennung
fischt ?
(siehe Video von der selbst ernannten „Trägerin des
(siehe Video von der selbst ernannten „Trägerin des
Ehrenamts-Gens“:
Glaubst Du wirklich, dass es so ganz uneigennützig geschieht,
- wenn jetzt ein Jahr vor der Bundestagswahl die Linken-Vorsitzende,
Katja Kipping, Dir öffentliche Unterstützung bekundet,
- während sie 2010 den Kläger im Bundesverfassungsgerichtsverfahren zu
Hartz IV in bundestagswahlfreier Zeit vor dem Europäischen Gerichtshof
im Regen stehen ließ
- und auch denen zurückliegend die Kalte Schulter zeigte, die sich im
Gegensatz zu Dir längst schon auf den langen, beschwerlichen Weg zum
Bundesverfassungsgericht gemacht haben?
- Hältst Du es nicht für zynisch, wenn jetzt die Diakonie mit Dir
Krokodilstränen wegen Sanktionen vergießt, während sie sich
andererseits seit Beginn von Hartz IV für öffentliche Mittel zum
Handlanger von sogenannten Maßnahmen sowie des Vollzuges von Sanktionen
machen lässt ?
(siehe entlarvender Brief dieses Wohlfahrtsverbandes im letzten Kapitel meines Buches „Ich bin dann mal Hartz IV“)
(siehe entlarvender Brief dieses Wohlfahrtsverbandes im letzten Kapitel meines Buches „Ich bin dann mal Hartz IV“)
Ja und wie soll man Deine Versuche verstehen, mit den
Jobcenter-Mitarbeitern anzubandeln?
- Die sind doch die willigen Helfer des Sanktionssystems.
Ohne ihr Mittun müssten die Jobcenter die Sanktionsmaschine abstellen.
Umso unbegreiflicher ist ihr Verhalten auch deshalb, weil mindestens sie
Ohne ihr Mittun müssten die Jobcenter die Sanktionsmaschine abstellen.
Umso unbegreiflicher ist ihr Verhalten auch deshalb, weil mindestens sie
nicht sagen können, sie hätten nicht gewusst, was sie tun.
Immerhin erleben sie hautnah und tagtäglich die Verzweiflung durch die
Immerhin erleben sie hautnah und tagtäglich die Verzweiflung durch die
Sanktionen, die sie vollstrecken.
Ist Dir schließlich überhaupt bewusst, dass Du mit Deiner - sorry - viel
zu lauten Lust auf Öffentlichkeit nicht nur Deinen Rechtsweg zum
Bundesverfassungsgericht jetzt erst einmal zugeschüttet hast? Und sehr
wahrscheinlich wirst Du auch vielen, die sich längst vor Dir auf den Weg
dorthin gemacht haben, zahlreiche zusätzliche Hürden aufgebaut haben? Denn
- leider irrst Du, wenn Du meinst: „die erste Runde gegen das Jobcenter
ging an mich/UNS“.
Eigentlich hättest Du nämlich gegen die Formfehler-Schutzbehauptung
Rechtsmittel einlegen können und müssen, weil diese - wiederum wegen
Formfehlern - eigentlich rechtsunwirksam sind.
Stattdessen hast den Formfehler abgesegnet, indem Du das Geld auf Deinem Konto willkommen geheißen hast - obschon Du vollmundig erklärt hattest: „sie werden nie
Stattdessen hast den Formfehler abgesegnet, indem Du das Geld auf Deinem Konto willkommen geheißen hast - obschon Du vollmundig erklärt hattest: „sie werden nie
in die Lage kommen, mich auszuzahlen.“ Sie haben Dich aber ausgezahlt
und Du hast’s angenommen.
Dabei geht es doch um viel mehr als um Dich -
Dabei geht es doch um viel mehr als um Dich -
es geht um millionenfach an Menschen vollstreckte Verwaltungspraxis aus
Formfehlern.
All diese Menschen bringst Du nun - im Sinne einer von der
All diese Menschen bringst Du nun - im Sinne einer von der
Politik jahrelang billigend in Kauf genommenen - Diskriminierungs-Öffentlichkeit erneut in den Ruch der faulen,
arbeitsunwilligen Sozialschmarotzer.
Sorrry, lieber Ralph: ich bin zutiefst „empört!“
Denn gerade hatte sich die veröffentlichte Meinung einem
differenzierteren Blick auf die Hartz IV-Lebenswirklichkeit zugewandt.
Da machst Du mit Deinem unbedachten - scheinbar vor allem auf
Öffentlichkeit gerichteten - Handeln für Millionen Betroffene alles
wieder kaputt und beförderst erneut gedankenlose, pauschale Vorurteile -
es sei denn, Du kehrst endlich um und entscheidest Dich zum
solidarischen Miteinander und gegen öffentliche Selbstdarstellungs-Gier.
In der Hoffnung auf einen konstruktiv-kritischen Diskurs
grüße ich Dich
Brigitte Vallenthin
für die
Hartz4-Plattform
die Hartz IV-Lobby
Fon 0611-1721221, Mobil 01525-3520721
Wiesbaden, 28. November 2012